Tina Mantel – Tanzen in Zeiten von Corona Maßnahmen

20. Juli 2020
Artikel aktualisiert am 09.06.2023

Tina Mantel ist selbständige Tanzpädagogin und Choreografin in Zürich,  bietet seit Herbst 2019 Online Unterricht an und berichtet hier über Ihre Erfahrungen mit Online-Tanz in Corona-Zeiten


Liebe Tina, bitte erzähl etwas über Dich und Deine Angebote vor Beginn der Corona Maßnahmen

Ich arbeite als selbständige Tanzpädagogin und Choreografin in Zürich und biete seit Herbst 2019 ein Tanzberufungs Coaching online für Tanzschaffende an. Ausserdem habe ich Anfang Jahr meine Online Plattform BOOST lanciert, wo ich mein geballtes Wissen aus bald 40 Jahren Berufserfahrung in Videos, Audios und PDFs aufarbeite, um es anderen Tanzschaffenden zugänglich zu machen. So habe ich bereits seit Herbst 2019 meine ersten Erfahrungen mit Online Unterricht gemacht. 

Im Februar habe ich meine drei Kindertanzkurse abgegeben und dafür eine Tanzpädagogin angestellt. Sie konnte nur drei Wochen unterrichten vor dem Lockdown! Das war schwer für sie, die Kinder und mich in meiner neuen Funktion als Arbeitgeberin!

Mein Gebiet ist der künstlerische Tanz, die Kunstform steht für mich immer im Zentrum, auch wenn ich in den letzten Jahren vor allem Laien unterrichte. Mein Tanztechnik Unterricht basiert auf der José Limon Technik und dem Zeitgenössischen Tanz. Im Smove leite ich ein improvisatorisches Training, inspiriert von der Gaga Bewegungssprache. 

Tina Mantel

Was sicher auch zu mir gehört ist, Tanzschaffende zusammen zu bringen und gemeinsam zu lernen und für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen, statt den Konkurrenzkampf zu pflegen. So habe ich z. Bsp. in den 90er Jahren zweiwöchige internationale Choreografie Workshops organisiert, mit Leiterinnen aus New York. Und ich war immer wieder in lokalen oder nationalen Berufsverbänden engagiert.

Vor der Krise habe ich meine regelmässigen Kurse Smove – Tanzimprovisation für alle, sowie das manntanzt Training unterrichtet. Zusätzlich mit der Senioren Theater Gruppe SeniorLab geprobt und als der Lockdown begann hätte mein 5 wöchiger Block mit dem Tanztheater Dritter Frühling begonnen.
Ausserdem war das Recherche Wochenende für die neue manntanzt Produktion im April geplant …

Wie wirkte sich der Lock-Down auf Dein Angebot aus?

Tina Mantel

Zu Beginn des Lockdowns war ich wie wir alle zuerst einmal blockiert, fast gelähmt. Ich ging in den Notfall Modus und konzentrierte mich auf meine Familie. Zwei Kinder (15, 20) leben noch Zuhause und hatten von einem Tag auf den anderen keinen Unterricht und kein Studium mehr. 

Als ich realisierte was da geschieht und dass es nicht bald aufhören wird, habe ich meine KursteilnehmerInnen zu einem Zoom Meeting eingeladen, um ihre Bedürfnisse abzuholen. Vielleicht die Hälfte war an Online Lektionen interessiert, die anderen konnten sich das nicht vorstellen. So entschied ich mich, Zoom Lektionen zu machen, zuerst nur für eine Stunde für den technischen Übungsteil. Weil ich mir nicht vorstellen konnte, sie über Zoom in die Improvisation zu schicken. Aber ein Teilnehmer regte das an und so probierten wir es aus – und es hat funktioniert! Die Aufnahmen der Lektionen stellte ich dann über Vimeo ins Netz, damit andere damit tanzen können. Das wurde nicht sehr oft, aber doch genutzt und auch geschätzt.

Auch die Seniorinnen vom Tanztheater Dritter Frühling wagten sich aufs Online Parkett und ich war froh, dass ich die Technik bereits ziemlich im Griff hatte. Die Akustik konnte ich auch ohne teures Mikrophon verbessern. Hilfreich war auch, dass ich ein Studio mit verlässlichem WLAN zur Verfügung hatte. Ich konnte mir dort ein kleines Online Studio einrichten, mit Stellwänden, damit ich nicht zu viel Platz brauchte, und guten Lichtverhältnissen. Zu Hause hätte ich das nicht machen wollen, weil da meine Kinder auch ihren Platz benötigten.

Finanziell wurden wir in der Schweiz als Selbständige rasch und unkompliziert mit 80% unseres Verdienstes vom letzten Jahr entschädigt. Da ich ja weiter unterrichtet habe und so auch Einkommen generiert habe, habe ich keine allzu grossen Einbussen. Es haben sich sogar drei Klientinnen fürs Coaching gemeldet – das hätte ich in dieser Zeit gar nicht erwartet. Für die staatliche Unterstützung bin ich unheimlich dankbar.

Für meine Angestellte der Kindertanz Kurse konnte ich Kurzarbeit eingeben, so dass der Staat meinem Verein 80% ihres Lohnes für den Lockdown bezahlt hat. So konnte ich den Eltern, die das wollten, das Kursgeld für die ausgefallenen Lektionen zurück bezahlen. Die Frage ob und wie während dem Lockdown ein Angebot für die Kinder gemacht werden soll, und ob ein Ersatz Angebot in den Sommerferien stattfinden könnte, hat uns aber sehr beschäftigt. Schlussendlich kam es nicht dazu.

Wie siehst Du die zukünftige Entwicklung?

Als wir unter Einhaltung der Distanzregeln wieder unterrichten durften, zeigte sich, dass die Kursteilnehmenden mit grossem gesundheitlichen Risikofaktor noch nicht bereit waren, ins Präsenztraining zu kommen. Deshalb behielt ich für sie ein Online Smove Training im Angebot, das ich nun von zu Hause durchgeführt habe. Das plane ich auch für die Zukunft, so lange es ausreichend Bedarf dafür gibt.

Unter meinen Teilnehmenden habe ich nach dem Lockdown eine Umfrage durchgeführt um zu erfahren, wie sie das Zoom-Training und die Videos im Vergleich zu Präsenzunterricht erlebt haben, und inwieweit ein Interesse daran besteht, es auch in Zukunft zu nutzen.

Erwartungsgemäss und natürlich sehr erfreulich für uns analog arbeitende Tanzpädagoginnen, will die Mehrheit keinen Online Unterricht mehr, oder nur als Ersatz, wenn Präsenzunterricht nicht möglich ist. Immerhin 6 von 20 Befragten hätten aber auch als Ergänzung zum Studio Interesse an Videos/Online Unterricht. Unter den Vorteilen wird der Wegfall des Reisewegs genannt und dass die Videos zur selbstgewählten Zeit genutzt werden können. 65% fanden das Online Training im Vergleich zum Studioerlebnis etwas befriedigend, immerhin 35% fanden es fast gleichwertig. Zur Frage, wieviel sie bereit wären, für Videos/Online Unterricht zu bezahlen war die Mehrheit für einen reduzierten Beitrag, am liebsten frei wählbar. So habe ich es in dieser Zeit auch gehalten.

Ich kann mir vorstellen, Videos für gezielte Fragestellungen zu machen, zum Beispiel um Basis Übungen neuen Teilnehmenden näher zu bringen. Es wäre schön, mit Online Videos/Lives einen zusätzlichen Verdienst zu generieren – aber dafür müsste viel Arbeit in die Vermarktung gesteckt werden. 

Als Fazit nehme ich aus dieser Zeit die Erfahrung, dass Tanz in anderen Räumen und mit anderen Medien vermittelt und erfahren werden kann, als wir normalerweise zu denken bereit sind. Das eröffnet uns neue Wege, um Menschen in Bewegung und den Tanz zu leiten. Aber auch, dass die physische Ko-Präsenz nicht ersetzbar ist und wie sehr ich als Tanzende und Pädagogin in meinem Unterricht darauf aufbaue!

Tina Mantel, 16. Juli 2020

Links zu Tina Mantel: 

Webseite: www.tinamanteltanz.ch 
Weiterbildungsplattform TanzBOOST https://tinamanteltanz.coachy.net/ 
Facebook https://www.facebook.com/groups/TanzberufungHilfe/

Fotos:
Christian Glaus, Roman Bernhard, Claude Hofer

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Ashra Baladi Skriptum

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