Ägyptischer Tanz

18. Mai 2023
Artikel aktualisiert am 09.06.2023

Ägyptischer Tanz oder Raqs Sharqi – wie der Tanz im arabischen Raum genannt wird – kann als moderner Ausdruck von traditionellem Tanz in Ägypten gesehen werden. Typisch für den Tanz sind Erdigkeit, eine bewegliche Wirbelsäule, eine entspannte, aufrechte Haltung und der Ausdruck weiblicher Kraft und Würde. Ganzheitlichkeit der Bewegungen steht im Vordergrund.

Der Tanz ermöglicht Dir, Dich für die Musik zu öffnen und das in Bewegung zu bringen, was die Musik in Dir auslöst. So bringt Dich Ägyptischer Tanz auf den Weg vom „Tun zum Sein“, verbindet Dich mit Deinem Innersten, stärkt Deine Fähigkeit zur Improvisation als unmittelbarem Reagieren auf die Musik und  lässt Dich Freude am eigenen Ausdruck finden.

Ägyptischer Tanz

wurde im Westen erstmals 1893 bei der Weltausstellung in Chicago gezeigt und war in den darauf folgenden Jahrzehnten wohl die Tanzform mit den stärksten Veränderungen.

Der Orientalismus mit seinem westlichen Blick auf einen „Phantasie-Osten“ machte auch vor dem Tanz nicht halt, die traditionelle Kleidung wich bald einem von der Filmindustrie Hollywoods inspirierten Cabaret-Kostüm. Der Begriff „danse du ventre“ (Bauchtanz) tauchte zum ersten Mal in einem Roman Zolas auf.

Raqs Sahrqi

Raqs Sharqi (oder Raks Sharki, Tanz des Ostens oder Orientalischer Tanz) bezeichnete ursprünglich den Tanz der Frauen in Ägypten.

Im Laufe der wechselvollen Geschichte Ägyptens waren Musik und Tanz unterschiedlichen kulturellen Einflüssen ausgesetzt. Daraus entstand eine bunte Vielfalt an Stilen.

Mein Stil

orientiert sich an der Arbeit der Tänzerinnen Liza Wedgwood und Erna Fröhlich.

Ausgehend von der Raqs Sharqi Society in England entwickelte sich eine Richtung, die versucht, das Wesen, die Essenz dieses Tanzes zu erfassen.

Warum Ägyptischer Tanz?

Die Füße fest am Boden, die Haltung aufrecht und entspannt, die Bewegungen weich fließend oder erdig und kraftvoll – Das Finden des eigenen Zentrums bewirkt eine selbstverständliche und kraftvolle Ausstrahlung der Tänzerin nach außen.

Ägyptischer Tanz gibt jeder Frau die Möglichkeit, mit ihren Gefühlen in Kontakt zu kommen und diese auszudrücken. Im gemeinsamen Tanz erleben Frauen ihre Weiblichkeit miteinander positiv. Innerhalb der Frauengruppe kann jede Frau ihre Einzigkartigkeit auszudrücken, sich einlassen und loslassen. Unabhängig von Alter, Figur und Tanzerfahrung wird so Freude an Bewegung und am Miteinander-Tanzen lebendig.

Raqs Sharqi fördert das Körperbewusstsein, eine gute Haltung und eine gesunde Wirbelsäule. Körperarbeit zur Kräftigung von Bauch- Rücken und Beckenboden-Muskulatur macht den Tanz zu einem umfassenden Gesundheitsprogramm.

Der Tanz in der Frauengruppe, konkurrenzloses „Miteinander“, das sind heute für viele Frauen die Gründe, sich für diese Tanzform zu entscheiden.
Raqs Sharqi ist für viele auch ein Weg zur Aussöhnung mit Ihrer Weiblichkeit – mit Ihrem „Sosein“.

Gängige Figur- und Schlankheitsideale verlieren an Bedeutung, gesteigerte Selbstakzeptanz und die gute „Verankerung“ in der eigenen Mitte stärken das Selbstbewusstsein, schaffen die Möglichkeit sich von Normen zu befreien und erweitern so die eigenen Grenzen.

Das bedeutet eine, sanfte, liebevolle und „freundliche“ Zuwendung zur eigenen Person und ermöglicht so erst den respektvollen Umgang mit den anderen Frauen in der Gruppe. Das Erleben, dass jede Frau einzigartig und unnachahmlich ist und tanzt, nimmt Konkurrenzdenken den Boden. Viele im Konkurrenzdenken verhaftete Strukturen von „immer größer, weiter, schneller, besser“ werden bedeutungslos, was eine große Erleichterung bedeuten kann und einen wirklichen Rückzugsort schafft.

Kleine Erholungsinseln vom Alltagsstress, Kraft schöpfen können durch „Einfach Sein dürfen“.

Bewegungsprinzipien im Ägyptischen Tanz

Für mich besteht Ägyptischer Tanz viel mehr aus Bewegungsprinzipien, Haltungen und Einstellungen als aus Bewegungen und Schrittfolgen. Grundlegend sind  zum Beispiel Einfachheit, das Sichtbar Machen der Musik und Authentizität, also nicht die Rolle der Tänzerin zu spielen, sondern die Tänzerin zu sein. Außerdem Achtsamkeit, ganz bei Dir zu bleiben und doch offen zu sein, nicht Deine Technik oder Dein Können zu zeigen – sondern Dich Selbst.

Rein auf die Bewegung bezogen ist Ägyptischer Tanz ein ganzheitlicher, geerdeter, zentrierter und zentrierender Ausdruckstanz. Diese einzelnen Prinzipien und ihr Potenzial für die persönliche Entwicklung hab ich in eigenen Blogartikeln beschrieben, hier ein Überblick.

Ganzheitliche Bewegung

Für alle, die schon mal Bauchtanz ausprobiert haben, ist das vielleicht überraschend. Ja, es gibt auch isolierte Hüftbewegungen. Aber grundsätzlich gilt:

Die Bewegungen im Ägyptischen Tanz sind möglichst ganzheitlich. Weiche und fließende Bewegungen erhalten ihren Impuls aus dem Brustkorb – Hüften und Becken werden einfach mitbewegt. Ebenso führen die Arme die Impulse aus der Körpermitte weiter. Das bewirkt und bedingt eine starke Zentrierung und Aktivierung der Muskeln um die Wirbelsäule und eine Konzentration nach innen, zur eigenen Mitte hin. Das Üben von ganzheitlicher Bewegung fördert die Koordination der Körperteile.

Eine gute Koordination führt zu mehr Leichtigkeit, Einfachheit und Freude in der Bewegung. Beim Üben machen wir uns unseren Körper in seinen Einzelteilen und deren Verbindungen zueinander bewusst. Bewegungsblockaden können so erkannt und integriert werden. Auf der psychischen Ebene fördert ganzheitliche Bewegung die Fähigkeit zur Hingabe, zum Aufgehen in einer Sache.

Mehr dazu: Ganzheitliche Bewegung

Erdung / Grounding

Der Begriff Grounding wird in vielen Bereichen der Körperarbeit und Körperpsychotherapie verwendet. Ich verwende meist den Begriff Erdung, der auch längst Teil der Umgangssprache geworden ist. Erdung spricht das Bewegungsgefühl an. Gerade das im Fühlkontakt mit sich selbst sein wird auch durch die anderen Prinzipien, wie Zentrierung oder ganzheitliche Bewegung gefördert.

Mehr dazu: Erdung in unsicheren Zeiten

Aufrichtung

Wie sich Aufrichtung, Haltung und innere Einstellungen gegenseitig beeinflussen wurde mit recht amüsanten und trickreichen Methoden an der Universität Trier von Prof. Fritz Strack und MitarbeiterInnen untersucht:

100 Personen wurden gebeten, gegen Bezahlung eine Art Kreativitätstest auf Papier auszufüllen. Dieser wurde dann überhaupt nicht angeschaut, sondern…
weiterlesen: Wie sich Körperhaltung und Gefühle gegenseitig beeinflussen

Zentrierung

Zentrierung und Bewegung aus dem Zentrum sind zentrale Elemente im Ägyptischen Tanz. Dabei soll ein dynamisches Gleichgewicht zwischen Stabilität und Flexibilität hergestellt werden. Für Trudi Schoop ist es das Zentrum, das körperliche und seelische Einheit ermöglicht:

Es dient als Stabilisator für unser Gleichgewicht, als Kompass für unsere Orientierung und Koordination für unsere Bewegungen, ist Beziehungspunkt für unsere körperlichen Grenzen – es sagt uns, wo wir anfangen und wo wir aufhören. (SCHOOP, 1981)3

Genauso wie Schoop zentrierende und erdende Übungen aus dem Modern Dance in der Arbeit mit psychiatrischen PatientInnen verwendet, können diese Elemente aus dem Ägyptischen Tanz in die Tanztherapie einfließen.

Mehr dazu: Zentrierung – Bewegung aus der Körpermitte

Bewegliche Hüften – Bewegliche Wirbelsäule

Vermutlich auch eine der bekanntesten Merkmale im Ägyptischen Tanz. Faszinierende Hüftbewegungen haben schon Orient-Reisende im 19. Jahrhundert in ihren Bann gezogen – waren sie doch das Gegenteil zum festgehaltenen Becken im Ballett und im tanzenden Europa nicht vorhanden und auch nicht erwünscht.

Das Tanztraining zielt außerdem darauf ab, die Wirbelsäule in alle Richtungen beweglich und flexibel zu machen (lyrische Bewegungen). Kombinationen der Richtungen ergeben komplexe Bewegungen. Aus dem Hin- und Herschwingen der Wirbelsäule in Verbindung mit einem Kreisen entsteht zum Beispiel eine Acht. In den lyrischen Bewegungen wird das Prinzip der Ganzheitlichkeit sehr sichtbar.

Mehr dazu: Bewegliche Wirbelsäule, bewegliche Hüften

Ausdruck – Emotionen in Bewegung

Im Ägyptischen Tanz geht es um eine Bewegung von Innen nach Außen. Im Vordergrund steht eine Art Rückverbindung. Die Tänzerin versucht, ganz offen zu sein, ihren Körper von der Musik bewegen zu lassen und es fließen zu lassen. Auf die Musik bezogen sieht sie sich als „zusätzliches Instrument“, als diejenige, die die Musik sichtbar macht. Es geht um den Weg vom Machen zum Sein, vom Showtanz zum Ausdruckstanz, nichts darzustellen, sondern den Moment zuzulassen.

Der ist nicht einfach, lohnt sich aber, können auf diese Weise doch Beschränkungen durch Normen und Vorstellungen darüber, wie wir zu sein haben, überwunden werden. Und jeder Schritt in diese Richtung kann direkt in den Alltag übernommen werden.

„Körperlich bin ich sicherlich lockerer und beweglicher geworden. Manchmal auch im Leben, ich nehme nicht immer alles so ernst, bin vielleicht auch gelassener geworden. Die Tendenz meines Selbstbewusstseins ist steigend.“
(Teilnehmerin eines Abendkurses, mehr Stimmen von Teilnehmerinnen)

Mehr dazu: Ausdruck – Emotionen in Bewegung

Tanz als Therapie

Ägyptischer Tanz ist weit mehr als eine einfache Tanzform. Er ermglicht ein reiches Spektrum an physischer, emotionaler und sozialer Interaktion und schafft einen Raum, in dem Tänzerinnen auf eine tiefere und authentischere Art und Weise mit sich selbst und anderen in Verbindung treten können, als es im täglichen Leben oft möglich ist.

Die Schritte und Bewegungen eröfnnen jeder Tänzerin die individuelle Möglichkeit, ihre innere Welt zum Ausdruck zu bringen. Wir können den Tanz nicht nur als eine Form der Therapie sehen, sondern darüberhinaus als Weg zu mehr Freiheit. Er gibt uns die Möglichkeit, gängigen Normen und Erwartungen zu entfliehen und die eigene Schönheit und Kraft zu feiern.

Ägyptischer Tanz ist damit nicht nur Körpertraining oder eine bestimmt Bewegungsform. Er kann uns zu tieferen Einblicken in unsere Gefühlswelt verhelfen, die zur Selbstakzeptanz führt, die Gemeinschaft unter Frauen fördert und persönliche Veränderungsprozesse ermöglicht.

In seiner Ganzheitlichkeit ist er eine Bereicherung, die über den Tanzraum hinaus in den Alltag hineinreicht.

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