Erdung – Verbundenheit und Bodenständigkeit in unsicheren Zeiten

16. Dezember 2020
Artikel aktualisiert am 15.05.2022

Erdung in unsicheren Zeiten

Zeiten, in denen wir uns verwirrt, unsicher oder „abgehoben“ fühlen verlangen einfache Bewältigungsstrategien. Übungen zur Erdung können uns wieder mit der Gegenwart verbinden. Sie helfen uns, mit belastenden Gedanken, Emotionen und Ängsten umzugehen. Sie dienen als sanfte Erinnerung,  wieder im „Hier und Jetzt“ anzukommen und zentriert zu bleiben.

Erdung – Begriffsherkunft und Bedeutung

Der Begriff Erdung kommt aus der Physik und bezeichnet Maßnahmen, die eine Verbindung zur Erde herstellen und damit einen Potentialausgleich bewirken. Das kann auch im übertragenen Sinn gedeutet werden und und die Verbindung unseres Körpers zum Boden, zur Erde meinen. So wurden „Erdung“, „Erdigkeit“ oder „Grounding“ in viele Bereiche der Körpertherapie, Körperarbeit und Körperpsychotherapie übernommen. Diese Bedeutung hat auch längst Eingang in unsere Umgangssprache gefunden. Wenn eine Kursteilnehmerin sagt „Ich bin hier, um mich besser zu erden“ wissen alle Anwesenden wovon sie spricht. Und wir wissen um die Bedeutung dieses Begriffs im übertragenen Sinn: Besser „geerdet“ zu sein heißt, in Kontakt mit der Erde, der „Materie“, mit allem Stofflichen, mit dem eigenen Körper zu sein.

ErdungEs heißt, einen Standpunkt zu haben, mit beiden Füßen fest am Boden zu stehen und uns mit der Natur und anderen Menschen verbunden zu fühlen. Wenn wir geerdet sind haben wir Vertrauen in die Tatsache dass die Erde uns trägt. Wir kommen auf dem „Boden der Realität“ an und lassen uns auf diese Verbindung ein. Das vermittelt Eigenständigkeit, Sicherheit, ein Grundvertrauen in uns selbst und ein Gefühl für unsere Grenzen. Wir konzentrieren uns auf unser Inneres, äußere Einflüsse und Reize werden weniger wichtig. Wir haben einen guten Kontakt zur Wirklichkeit und das Bild, das wir uns von uns selbst machen, wird ersetzt durch reale Empfindungen.

Erdung ist aber nicht nur eine wichtige Grundlage für Tänzerinnen, eine gute Erdung ist auch hilfreich bei Ängsten und Trauma. Wenn wir uns erden, wenden wir uns von verunsichernden Vorstellungen und Bildern hin zu unserem körperlichen Dasein im Hier und Jetzt. Eine gute Erdung bedingt auch das Lösen von inneren Blockierungen und Starrheit und kann sich nur einstellen, wenn wir lernen, Gefühle zuzulassen, uns dem Leben zu öffnen und uns nach außen mitzuteilen.

Erdung kann also unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet werden.

Physische Erdung

dreht sich um die Frage wie wir

  • eine gute Verbindung zum Boden aufbauen
  • guten Kontakt zu unserem Körper bekommen
  • in Fühlkontakt mit uns selbst sein können
  • unsere Verbindung zur Materie, zu allem Stofflichen um uns, zur Natur und zur Erde aufbauen und festigen können.

Physische Erdung fördert körperliche und psychische Stabilität. Du nimmst den Boden unter Deinen Füßen, Deinen Körper und die Welt um Dich selbst mit Deinen Sinnen wahr.

Psychische Erdung

Erdung und PsycheSo wie wir wissen, was mit „ich bin geerdet“ gemeint ist, wissen wir auch, was Redewendungen wie „zu sich stehen können, gut dastehen, sich einer Sache stellen, verwurzelt sein oder bodenständig sein“ bedeuten.

Körperlich gut geerdet zu sein hat Einfluss auf Dein seelisches Befinden. Es gibt Dir das Gefühl, gut im Leben zu stehen und nicht in der Luft zu hängen. Du stellst Dich der Realität, kennst Deine Stärken und Schwächen und fühlst Dich bodenständig und verwurzelt.  Weil Körper und Seele nicht unabhängig voneinander gesehen werden können, zeigt sich eine Veränderung eines dieser beiden Aspekte immer auch im anderen. Deshalb können wir durch Körperübungen unser körperliches und auch unser seelisches Wohlbefinden unterstützen.

Erdung üben

Erden heißt zuallererst (wieder) im Körper ankommen. Der einfachste Weg dazu ist Atmen. Atme aufmerksam und bewusst aus und vertraue darauf,  dass Dein Körper von selbst wieder einatmet. Meist halten wir den Atem an, indem wir nicht mehr ausatmen. Dehnen, Strecken, Gähnen hilft, wieder im Körper anzukommen. Spür dabei Deinen Körper in der Bewegung. Gehen und Laufen und natürlich Tanzen sind ebenso effektive Übungen, gut am Boden anzukommen.

Übungen zur Erdung können also alles sein, was Deine Aufmerksamkeit auf die Gegenwart und Deinen Körper lenkt. Sie beruhigen den Körper und relativieren das Gefühl von Bedrohung. Sie durchbrechen den Mechanismus „Kampf, Flucht oder Erstarren“ und vermindern das Gefühl des Getrennt-Seins. Im Tanz sind Erdung und ein guter Kontakt zum Boden Grundlagen. Diese Erdigkeit trainieren wir durch besondere Aufmerksamkeit auf die Füße:

Ein guter Kontakt der Füße zum Boden beginnt mit der bewussten Wahrnehmung Deiner Füße. Du konzentrierst Dich auf die Empfindungen in Deinen Füßen, spürst die Temperatur, Haut, Muskeln, Sehnen. Versuche dabei Worte zu verwenden, die nicht werten. Sind Deine Füße kühl oder eher warm? Kannst Du Deine Zehen spüren, die Haut Deiner Fußsohlen? Die Muskeln? Gibts Bewegung in Deinen Fußsohlen? Vielleicht ein Kribbeln, Ziehen oder Zucken? Sei so genau wie möglich. Spür Deine lebendigen Füße. Wie ist der Kontakt zum Boden? Spür, wie Deine Füße den Boden berühren und wie sie gestützt werden. Lass den Kontakt Deiner Fußsohlen zum Boden zu. Lass Deinen Atem durch die Füße in den Boden fließen. Lass dabei Deine Beine so locker wie möglich. Die Knie sind nicht durchgestreckt. Spür jetzt mit jedem Ausatmen den Kontakt zur Erde.

Weiterführende Übungen:

  • Abrollen
  • Balancieren
  • Kreisen auf den Fußsohlen
  • bewusstes Wahrnehmen der Füße im Gehen
  • Vorstellen von Wurzeln in den Boden
  • einen Rhythmus nur mit den Füßen hörbar machen

Außerdem wird unsere Standfestigkeit auch durch Aufmerksamkeit auf Spannung / Entspannung im Körper trainiert. Entspannung in Schultern und Nacken bewirkt eine gute Verbindung zum Boden, eine leichte Spannung im Beckenbereich ebenso. Beides wirkt übrigens auch umgekehrt – Gute Erdung entspannt Schultern und Nacken und bringt unser Becken in eine anatomisch richtige Haltung. Auch Durchlässigkeit in den Gelenken (vor allem Sprung-, Knie- und Hüftgelenken) erdet uns.

Diese Verbindung zum Boden ist niemals starr sondern lebendig und beweglich.

Andere Möglichkeiten sind z.B. bewusst einzelne Körperteile abzuklopfen, bewusstes Atmen, überhaupt Achtsamkeit auf Deine Umgebung oder Deine Bewegung.

Erdung oder Schwere

Der für Depressionen typische Antriebsmangel drückt sich auch in Körperhaltung und Bewegung aus. Die Bewegungen sind kraftlos, das Gesicht ausdruckslos, ein Gefühl von großer Anstrengung und Schwere herrscht vor. Diese Schwere ist keine Erdung und entsteht durch zu wenig Spannung im Körper. Der Körperschwerpunkt scheint im Boden zu versinken.  Bewusstes Aufrichten und Übungen zu Spannung und Entspannung können dem entgegenwirken. Wichtig ist es in dem Fall, einen guten Kontakt zum Boden zu haben, ohne darin zu versinken.

Warum wir uns erden sollten

Eine besondere Aufmerksamkeit unserer Bodenständigkeit gegenüber lohnt sich. Nach einiger Zeit entwicklen wir Gefühle von

  •  Bodenhaftung
  •  Sicherheit
  •  Zentrierung  und Lockerheit gleichzeitig.

Das hat auch noch einen weiteren angenehmen Nebeneffekt: Schultern, Arme, Kopf und Nacken können sich entspannen und werden getragen und gelockert.

Diese und andere Übungen zur Erdung sind Teil der Fortbildung für Gruppenleiterinnen. Mehr zu den Inhalten gibt es in kommenden Blogbeiträgen. Wenn Du darüber informiert werden möchtest, trag Dich hier ein. Wenn Du Deine eigenen Erfahrungen mit dem Thema hier teilen möchtest, freu ich mich über Deinen Kommentar!

Fotos: canva.com

Ashra Baladi Skriptum

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