Bewegung befreit: Tanzen als Schlüssel zur Überwindung von Perfektionismus

12. Dezember 2023

Hast du jemals das Gefühl gehabt, dass dein Streben nach Perfektion dich mehr hindert als fördert? In einer Welt, die in vielen Bereichen Perfektion glorifiziert, erkundet dieser Artikel vor allem die anderee Seite des Perfektionismus und wie er unser Wohlbefinden beeinflussen kann.

Niemand ist perfekt, und das weißt du sicher auch. Trotzdem strebst du vielleicht danach, in bestimmten Bereichen deines Lebens besonders gut zu sein.

Wenn wir Perfektionismus als das Streben nach Verbesserung, Vervollkommnung, Perfektion definieren, ist das grundsätzlich nichts Schlechtes. Die meisten Menschen möchten sich gerne verbessern und dieses Streben ist eine gute Eigenschaft, die zu Erfolg und Zufriedenheit führen kann. Solange das im Rahmen bleibt und sich nicht gegen Dich Selbst und Andere richtet ist das auch kein Problem. Aber wie bei allem im Leben, ist auch bei Perfektionismus das richtige Maß entscheidend.

Wenn die selbst gesetzten Ziele entweder unerreichbar sind oder nur unter großem Aufwand erreicht werden können, wird es sehr schwierig, sich gut mit sich selbst zu fühlen. Genau in solchen Fällen kann Perfektionismus problematisch werden. In diesem Artikel gehe ich deshalb der Frage nach, was Perfektionismus ausmacht, welche Eigenschaften damit verbunden sind und wie sich das auf unser Wohlbefinden auswirken kann.

Perfektionismus als Streben nach Vollkommenheit

Was ist Perfektionismus?

Perfektionismus ist ein Persönlichkeitsmerkmal, bei dem die Betroffenen ständig danach streben, alles fehlerfrei und richtig zu machen und sich selbst immer wieder kritisch hinterfragen. Er wird meist mit dem Bestreben, „perfekt zu sein“ oder „etwas perfekt zu machen“, gleichgesetzt. Viele betrachten das als etwas Positives, Andere empfinden es als negativ und beschämend, perfektionistisch zu sein. Doch ist Perfektionismus nun gut oder schlecht?

Perfektionistinnen setzen sich selbst unter Druck, um hohe Standards zu erfüllen. Das beeinflusst maßgeblich ihre Selbstwahrnehmung. Es gibt aber einen wesentlichen Unterschied zwischen einem gesunden Streben nach Verbesserung und einem ungesunden, wenig hilfreichen Streben nach Perfektion. Wir sprechen dabei von dem perfektionistischen Streben und der perfektionistischen Besorgnis. Perfektionistisches Streben bedeutet, nach Makellosigkeit zu streben und hohe Standards zu setzen.

Die perfektionistische Besorgnis geht einher mit der  Sorge, diese hohen Standards nicht zu erfüllen und führt zu Selbstkritik. Ein Gleichgewicht zwischen diesen beiden Ausprägungen entscheidet darüber, ob Perfektionismus adaptiv (sich anpassend) oder maladaptiv (sich schlecht anpassend) ist.

Das Verständnis für diesen Unterschied kann uns helfen zu erkennen, ob unsere Art von Perfektionismus hilfreich oder schädlich ist. Ziel ist es, eine Balance zu finden, die es uns ermöglicht, uns zu verbessern, ohne dabei unser Wohlbefinden zu gefährden.

Adaptiver Perfektionismus

Adaptiver Perfektionismus heißt, sich selbst hohe Standards und Ziele zu setzen, die zwar herausfordernd, aber erreichbar sind. Du strebst nach hoher Qualität und siehst Fehler als Lerngelegenheiten. Dieser Ansatz fördert deine persönliche Entwicklung, ohne dabei dein Wohlbefinden zu beeinträchtigen. Du empfindest Zufriedenheit bei deinen Erfolgen und kannst mit Misserfolgen konstruktiv umgehen.

Maladaptiver Perfektionismus

Im Gegensatz dazu steht der maladaptive Perfektionismus. Charakteristisch ist das unermüdliche Streben nach extrem hohen Standards (für sich selbst und/oder andere), die persönlich fordernd sind. Gewöhnlich werden diese Standards von Außenstehenden als übertrieben betrachtet. Von der betroffenen Person selbst sind sie unverhandelbar. Die Bewertung des eigenen Selbstwerts basiert vor allem auf der Fähigkeit, solche unverhandelbaren Standards anzustreben und zu erreichen.

Dies führt zwangsläufig zu negativen Erfahrungen und oft zu erheblichen persönlichen Belastungen. Trotzdem werden die hohen Standards weiterhin angestrebt. Der Selbstwert ist stark mit Erfolg und Leistung verbunden, das Nichterreichen dieser Standards führt zu Selbstkritik und Enttäuschung. Diese Art von Perfektionismus kann zu ständigem Stress, Angst vor dem Scheitern und zu einem Gefühl der Unzulänglichkeit führen.

Maladaptiver (oder dysfunktionaler) Perfektionismus führt deshalb zu übermäßiger Beschäftigung mit Fehlern, Zweifel am Erreichen von Zielen, Angst vor dem Scheitern und davor, andere zu enttäuschen. Diese negativen Emotionen können besonders stark sein, wenn Dinge außerhalb unserer Kontrolle liegen. Während adaptiver Perfektionismus uns helfen kann, Ziele zu erreichen, kann maladaptiver Perfektionismus starken Stress und Ängste verursachen.

Typische Eigenschaften für maladaptiven Perfektionismus

  • Alles-oder-Nichts-Denken: Die Dinge sind entweder sehr gut oder sehr schlecht, perfekt oder ein Fehlschlag. Es gibt nichts dazwischen. Die Angst vor Fehlern und vor Beurteilung und Bewertung von Außen tritt in den Vordergrund.
  • Unrealistische Standards: Das Anlegen extrem hoher Maßstäbe an dich selbst. Fast alles an dir erscheint als unvollkommen.
  • Angst vor dem Scheitern: Das Streben nach Vollkommenheit geht einher mit der Furcht, die selbst gesetzten viel zu hohen Ziele nicht zu erreichen.
  • Tunnelblick: Wenn du Angst hast zu scheitern, kann alles andere unwichtig werden.
  • Fokus auf Ergebnisse: Du konzentrierst dich vielleicht zu sehr auf das Endergebnis und vernachlässigst den Prozess.
  • Übermäßige Kritik: Du siehst dich und andere in erster Linie kritisch.
  • Schwierigkeiten mit Kritik: Andererseits hast du Schwierigkeiten, Kritik anzunehmen.
  • Aufschieben und Vermeiden: Die Angst vor Fehlern kann auch zu einem Alles oder Nichts bzw. Entweder/Oder – Denken führen: Ich mache das ganz oder gar nicht. Du prokrastinierst und zögerst immer wieder, Dinge anzugehen, aus Angst, nicht perfekt zu sein.

Wie wirkt sich Perfektionismus auf unser Wohlbefinden aus?

Adaptiver Perfektionismus kann zu Erfolg und Erfüllung beitragen. Maladaptiver Perfektionismus hingegen kann mehr schaden als nützen. Diese Art von Perfektionismus erzeugt Ängste, inneren Stress und macht krank. Psychisch und körperlich. Dies kann sich auf die Gesundheit auswirken und zu Problemen wie Reizbarkeit, Müdigkeit, Schlaflosigkeit und emotionalen Ausbrüchen führen.

Außerdem wird Perfektionismus in Verbindung gebracht mit Zwangstörungen, sexuellen Funktionsstörungen, Selbstmordgedanken, Burnout, Essstörungen und Depressionen.

Perfektionismus überwinden

Perfektionismus zu überwinden ist durchaus möglich. Ein Schlüssel dazu ist das Setzen von erreichbaren Standards und realistischen Zielen. Eine flexible Herangehensweise und eine Neubewertung von Fehlern als Gelegenheiten zum Lernen können hierbei sehr hilfreich sein. In einigen Fällen kann auch professionelle Unterstützung, wie etwa durch Tanztherapie, sinnvoll sein.

Betroffene müssen erkennen, dass ständige Perfektion unerreichbar ist. Ein gesundes Maß an Perfektionismus, der sogenannte adaptive Perfektionismus, kann durchaus motivierend sein und uns anspornen, unser Bestes zu geben. Doch wenn wir uns selbst unrealistische Ziele und überhöhte Standards setzen, riskieren wir, in einen destruktiven Zyklus aus Angst und Selbstzweifeln zu geraten. Das Bewusstsein für diesen Unterschied und das Anstreben eines Gleichgewichts sind entscheidend für unsere psychische Gesundheit und unser allgemeines Wohlbefinden.

Wie Tanzen hilft

Tanztherapie

Tanztherapie ist überall dort hilfreich, wo der Körper (mit-)betroffen ist. Wie weiter oben schon beschrieben, verursacht Perfektionismus oft psychosomatische Beschwerden (Reizbarkeit, Müdigkeit, Schlaflosigkeit…). Mit Hilfe von Tanztherapie ist es möglich, die Selbst- und Körperwahrnehmung zu verbessern. Der hohe Druck, unter dem perfektionistische Menschen stehen, führt oft zu Stress und emotionalen Spannungen. Durch Tanz und Bewegung können Spannungen gelöst und emotionale Inhalte aufgearbeitet und integriert werden.

Ägyptischer Tanz

Tanz zu Dir Selbst
Das Erlernen der Tanztechnik für den Ägyptischen Tanz hat viel damit zu tun, wie Du mit den Themen Perfektion, Leistung und Ehrgeiz umgehst.

Die Bewegungen können nicht einfach nachgemacht werden, vielmehr ist ein langsames und schrittweises Herantasten und ein tieferes Verständnis für die dahinter liegenden Bewegungsprinzipien erforderlich. Das heißt, wenn Du beginnst, Dich auf Ägyptischen Tanz einzulassen wirst du von Anfang an mit einer Vielzahl von Bewegungen konfrontiert, die vielleicht sehr wahrscheinlich nicht sofort gelingen und Themen wie Leistung, Ehrgeiz, Perfektion oder Sich-Vergleichen ansprechen.

In meiner Interpretation des Ägyptischen Tanzes liegt der Fokus auf Improvisation, das fast völlige Fehlen von Choreografien ist für Viele herausfordernd und irritierend. Gleichzeitig hilft dieser Ansatz aber auch dabei, „das Ganze“ im Auge zu behalten, sich nicht in Details und Einzelheiten zu verzetteln und ein Gefühl für den Tanz und die Musik zu entwickeln.J

Die traditionelle Form im Ägyptischen Tanz (Sha’abi) von Einfachheit und vielen Wiederholungen. Gut gemacht, macht das einen besonderen Reiz für das Publikum aus. Die Musik in Verbindung mit dem Tanz wirkt manchmal hypnotisch-tranceartig und führt zu zu Entspannung und Gelassenheit. Der aktuelle Moment und die unmittelbare Wahrnehmung von Musik und Bewegung treten in den Vordergrund, Überlegungen wie „was mache ich als Nächstes“, „Ist das richtig so?“ verlieren an Bedeutung. Doch genau das kann für perfektionistische Tänzerinnen sehr fordernd sein. Es wird wieder das Leistungsthema angesprochen. (Ist das genug? Das ist doch viel zu wenig, ich müsste doch noch etwas Anderes tun usw….).

Von Beginn an arbeiten wir daran, eigene Bewegungskombinationen und Übergänge zu entwickeln. Dies fördert Nachsicht und Gelassenheit dir selbst gegenüber, weckt deine Neugier auf Improvisation und freien Tanz und unterstützt dich dabei, Unvollkommenheiten zu akzeptieren und dich selbst liebevoll anzunehmen. Du lernst, auf eine neue Art und Weise mit Fehlern umzugehen – sowohl mit deinen eigenen als auch mit denen anderer.

Tanz zu Dir Selbst

Tanztherapeutische Methoden bieten die Möglichkeit, dich selbst besser kennenzulernen. Körperübungen sorgen für Entspannung und helfen beim Loslassen. Grundlegende Bewegungsprinzipien des Tanzes, wie Erdung und eine starke Verankerung in der Körpermitte, unterstützen dich dabei, dich auf Neues einzulassen, Freude an der Bewegung zu finden und schädlichen Perfektionismus hinter dir zu lassen.

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* da meine Artikel in erster Linie von Frauen gelesen werden und aus Gründen der Text-Lesbarkeit verwende ich die weibliche Form in diesem Text. Alle anderen sind mitgemeint.

Ashra Baladi Skriptum

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