Körperbild und Körperschema – die Entwicklung eines realistischen Körperbilds

10. Mai 2022
Artikel aktualisiert am 23.05.2023

Körperbild und Körperschema

Die Begriffe Körperbild (body image) und Körperschema wurden oft relativ beliebig und je nach Fachrichtung (Psychologie, Neurologie…) verschieden verwendet. Nach heutiger Auffassung ist das Körperbild das mentale Bild, das ein Mensch von seinem Körper hat und betrifft sowohl das Aussehen des Körpers als auch die dazugehörenden Gefühle und Einstellungen.

Das Körperbild zeigt, wie Du Dich in Bezug auf Form, Größe und Aussehen Deines Körpers fühlst, wie wohl Du Dich in Deinem Körper fühlst und wie sich Deine Gefühle über Deinen Körper auf Dein Verhalten auswirken. Das Körperbild hat Einfluss darauf, wie präsent Du in Deinem Körper bist und wie Du Dich bewegst.

Wie entsteht das Körperbild?

Dein Körperbild unterscheidet sich von Deinem tatsächlichen Aussehen und kann Durch Erziehung, Medien, persönliche Beziehungen oder Deinen Gesundheitszustand beeinflusst werden. Kinder nehmen Ideen über ihren Körper und ihr Aussehen von Familienmitgliedern, FreundInnen, LehrerInnen, anderen Bezugspersonen wie z.B. (Sport-)TrainerInnen und aus den Medien auf.

All diese Eindrücke verbinden sich mit der eigenen Körperlichkeit und beeinflussen die Selbstwahrnehmung. Kinder, die wegen ihres Aussehens gemobbt, gehänselt oder kritisiert werden, entwickeln mit größerer Wahrscheinlichkeit ein negatives Körperbild, ebenso Kinder, die Missbrauch erfahren oder medizinische Probleme haben, die ihr Aussehen beeinträchtigen. Kinder werden auch stark vom Körperbild ihrer Eltern beeinflusst. Kinder bemerken es, wenn Eltern Diäten machen, sich im Spiegel kontrollieren oder sich weigern, einen Badeanzug anzuziehen und mit ihnen im Pool zu spielen. Wenn Kinder zu Teenagern werden, können die körperlichen Veränderungen der Pubertät weiter zu Problemen mit dem Körperbild beitragen.

Körperschema

Mit Körperschema wird das Bewusstsein über die Lage der Körperteile zueinander bezeichnet – also eine Art innere Landkarte des eigenen Körpers, die auch eine realistische Wahrnehmung der eigenen Körperdimensionen ermöglicht. Je besser das Körperschema entwickelt ist, je genauer diese innere Landkarte ausgeprägt ist, desto größer ist das Bewegungsrepertoire eines Menschen.

Das Körperbild beeinflusst direkt Selbstachtung, Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein, außerdem die Art, in der wir uns emotional und physisch unserem Körper zuwenden. Es bestimmt somit maßgeblich inwieweit wir fähig sind, gut für uns selbst zu sorgen. Das hat wiederum Auswirkungen auf das Körperbild. Selbstwert und Körperbild beeinflussen sich also gegenseitig. Wenn unser Körperbild nicht gut entwickelt ist, können wir Körperreize wie Hunger oder Müdigkeit nicht richtig wahrnehmen bzw. zuordnen. Außerdem klaffen Selbst- und Fremdwahrnehmung auseinander.

Körperbildstörungen

Ob das Körperbild positiv oder negativ ist, kann sich auf die psychische Gesundheit und damit auf jeden anderen Aspekt im Leben auswirken.

Ein negatives Körperbild ist mit einem höheren Risiko für Essstörungen und Depressionen verbunden. Dabei wird meist auch Schwachstellen eine große Wichtigkeit zugeschrieben und Positives eher ausgeblendet. Typisch ist auch eine Alles oder Nichts bzw. Entweder / Oder – Einstellung. Bei Essstörungen wie Magersucht (Anorexie) oder Ess-Brech-Sucht (Bulimie) halten die Betroffenen – hauptsächlich Frauen – ihren Körper für viel umfangreicher, als dieser tatsächlich ist. In extremen Fällen kann ein negatives Körperbild zu einer körperdysmorphen Störung führen, einer wahnhaften Vorstellung von körperlichen Mängeln betroffen zu sein.

Menschen mit einem positiven Körperbild haben tendenziell eine bessere körperliche und geistige Gesundheit sowie mehr Selbstwertgefühl. Unser Körperbild wird zwar schon früh im Leben geformt, es kann sich aber in jedem Alter verbessern oder verschlechtern. Es ist also nie zu früh oder zu spät, ein gesundes, selbstbewusstes Körperbild zu entwickeln.

Welche Faktoren tragen zu einem positiven Körperbild bei?

Sich auf Ägyptischen Tanz, seine Bewegungsprinzipien und Grundhaltungen einzulassen kann helfen, das Verhältnis zum eigenen Körper zu normalisieren, ihn weniger als Feind zu begreifen, einen liebevolleren, nachsichtigeren und akzeptierenden Zugang zu ihm und somit zum Selbst zu finden. Die Bewegung im Ägyptischen Tanz erfordert bewusste Körperwahrnehmung und Bewegungsgefühl, also nicht mechanische Bewegung.

Die Kleidung trägt ihren Teil zu einem veränderten Körpergefühl bei. In den langen, schwingenden, weiten Röcken und den bequemen, vom Schnitt her einer ägyptischen Galabeya nachempfundenen Oberteilen fühlen sich die meisten Frauen gleichzeitig geschützt, erotisch und weiblich. Viele Frauen brauchen aber auch ihre Zeit um sich z.B. mit der Betonung der Hüften durch ein Tuch anzufreunden.

Eine gewährende, Zeit gebende, nicht fordernde Haltung durch die Kursleiterin unterstützt dieses langsame „Hineinwachsen in die eigenen Formen“. Mit der Zeit wird der Blick geschulter, wenn die Teilnehmerinnen sich gegenseitig beim Tanzen zusehen werden Figur- und Schlankheitsnormen weniger wichtig, harmonische Bewegung und Ausstrahlung rücken in den Mittelpunkt.

Verändertes Selbstbild

Dem in Gesellschaft und Medien von außen dargestellten Frauenbild kann ein von innen wahrgenommenes Bild entgegengestellt werden. Deshalb arbeite ich im Tanzunterricht auch meist ohne Spiegel. Die Bewegung soll erspürt, das Körpergefühl erarbeitet werden. Vor dem Spiegel schlägt zu leicht die „innere Kritikerin“ zu und wir orientieren uns wieder an der Norm.1 Normen wie Frauen aussehen verlieren mit der Zeit an Bedeutung, das Körperbild wird realistischer, die Körperzufriedenheit größer.

Körperzufriedenheit

Körperzufriedenheit kann als Ergebnis der Anpassungsleistung des eigenen Körperbilds an gesellschaftliche, geschlechtsspezifische und kulturelle Körperideale gesehen werden. Essstörungen z.B. werden daher auch als Überanpassung an herrschende Schlankheitsnormen gedeutet. Inzwischen gibt es Untersuchungen zu zeitlichen Veränderungen und interkulturellen Verschiedenheiten des Körperideals. (siehe auch KREIKEBAUM, 1997)2

„Besonders auffällig unterscheiden sich die Figurenideale zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Während in Industrienationen (Überflussgesellschaften) Schönheit mit Schlankheit gleichgesetzt und Übergewicht mit negativen Eigenschaften assoziiert ist (…), gilt in vielen weniger industrialisierten Ländern (Mangelgesellschaften) Übergewicht als Zeichen von Reichtum, Fertilität und Stärke (…)

So wurden in epidemiologischen Studien, die in afrikanischen Ländern durchgeführt wurden, bislang lediglich Einzelfälle von Magersucht berichtet (…). Gleichermaßen selten scheinen Essstörungen bei weiblichen Jugendlichen aus dem mittleren Osten zu sein (…). Für diese Stichprobe lagen zudem Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von gestörtem Essverhalten bei Mädchen vor, die sich an westlichen Werten orientierten.“ (KREIKEBAUM, 1997)3

Möglicherweise hilft auch die Beschäftigung mit einer fremden Musik, einer anderen Kultur und deren kulturellen Werten einen distanzierteren Blick auf eigene gesellschaftliche Normen zu bekommen. Dabei ist allerdings Vorsicht vor Vorurteilen und Stereotypen angebracht.

 

 


1 Anmerkung: die Arbeit mit dem Spiegel, entsprechend vorbereitet und reflektiert, kann – vor allem im Einzelsetting – natürlich auch eine sehr wirkungsvolle Methode zur Arbeit mit dem Körperbild sein

2 Kreikebaum, Susanne P., Körperbild, Körperzufriedenheit, Diätverhalten und Selbstwert bei Mädchen und Jungen im Alter von sieben bis dreizehn Jahren: Eine interkulturelle Vergleichsstudie (USA – D) und Längsschnittuntersuchung (D), Diss., Philosophische Fakultät der Universität Köln. 3 Kreikebaum, Susanne P., Körperbild, Körperzufriedenheit, Diätverhalten…., 1997, S. 25

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