Ghawazi – Invaders of the heart

28. September 2020
Artikel aktualisiert am 18.05.2023

Ghawazi

Eine der Wurzeln der ägyptischen Folklore ist der Tanz der Ghawazi. Die ägyptischen „Zigeunerinnen“ („Gypsies“) stammen vermutlich vom Stamm der „Nawar“ ab und wanderten aus Indien über Persien in Ägypten ein.

Die Gemeinschaft, die wir heute als Ghawazi kennen, hat in jedem Land, in das sie immigriert sind, tiefgreifende kulturelle Spuren hinterlassen. Ihre außergewöhnliche Fähigkeit, Musik und Tanz aus ihrer Heimat mit den einheimischen Stilen zu verweben, hat zu einzigartigen und faszinierenden kulturellen Ausdrucksformen geführt.

Die Ghawazi stammten ursprünglich aus Indien und unternahmen eine beeindruckende Wanderung durch Zentralasien nach Nordafrika, in den Nahen Osten und nach Europa. In jedem dieser Orte verbanden sie die lokalen Musik- und Tanztraditionen, verschmolzen sie mit ihren eigenen Traditionen und kreierten so ihren ganz eigenen Stil.

Während sie in Persien, der Türkei oder in Osteuropa als Roma oder Szinti bekannt sind, nennt man sie in Ägypten Nawar oder Ghawazi. Diese Gemeinschaften waren und sind jedoch mehr als bloße Reisende: Sie entwickelten sich zu HüterInnen und KuratorInnen der Kultur, insbesondere des Orientalischen Tanzes in jenen Ländern, in denen sie sich niederließen. Ihre mündliche Tradition und ihre Kultur, sich durch Musik, Poesie und Tanz auszudrücken, machte sie zu lebendigen Archivaren der verschiedenen regionalen Varianten des Orientalischen Tanzes.

Die von ihnen geschaffenen Tanzstile sind einzigartige Kreationen, angereichert mit ihrem eigenen indischen Erbe.

Trotz ihres reichen kulturellen Beitrags wurden die Ghawazi oft marginalisiert und von den lokalen Kulturen stigmatisiert. Trotz dieser Herausforderungen haben sie ihre Kultur, ihre Traditionen und ihren unvergleichlichen Einfluss auf die Welt der Musik und des Tanzes bewahrt. Die Geschichte der Ghawazi erinnert uns daran, wie Kulturaustausch und Bewegung die Entwicklung der Kunstformen prägen, die wir heute so sehr schätzen und feiern.

Die Ghawazi (je nach Schreibweise auch: Ghawazee oder ähnlich) verdienten Ihren Lebensunterhalt mit Musik und Tanz und überlieferten diese Traditionen durch Jahrhunderte. Ihren Tanz bezeichneten sie selbst als „Raqs Sha‘abi“. Dabei verwendeten sie hauptsächlich Hüftbewegungen und begleiteten sich auf Zimbeln.

Europäische Reisende im 19. Jahrhundert waren fasziniert von ihren Bewegungen und machten sie in ihren Reiseberichten auf der ganzen Welt bekannt. Mit einem skandalösen Beigeschmack. Die Natürlichkeit, Freiheit und Unbeschwertheit ihrer Bewegungen widersprach jedem für das weibliche Geschlecht festgelegtem Verhaltenskodex.

„Dennoch beschrieb Charles Leland die Ghawazi sehr gut: Sie scheinen alle die Fähigkeit zu haben, jeden Teil ihres Körpers frei zu bewegen, geradeso wie Menschen mit den Ohren wackeln können; und es ist wunderbar, wie sie Stunden um Stunden jeden Muskel heftigst und rasend schnell bewegen und von Kopf bis Fuß wie elektrifiziert zucken, ohne im mindesten ermüdet zu sein und, was unglaublich ist, ohne zu schwitzen…

Am Anfang jeden Tanzes bewegen sich die Ghawazi einfach nach der Musik und schwingen ihren Körper weich hin und her. Dann werden Wellenbewegungen gemacht, die den Körper von Kopf bis Fuß durchlaufen, und über diese Wellen gleiten mit unglaublicher Geschwindigkeit Schauer und Kräuselwellen, wie beim Anblick einer großen Welle im Wind, die aussieht wie ein kleineres Meer, das von tausend winzigen Wellen durchfurcht ist.“

(aus: Wendy Buonaventura – Die Schlange und die Sphinx.)

Invaders of the heart

Ihre unverwechselbare Art zu tanzen und sich für den Tanz zu kleiden begründete ihren Mythos als „Invaders of the heart

Heute gibt es in Ägypten eine Familie, die – nach eigenen Angaben – Nachkommen der Ghawazi sind. Sie leben in Luxor und sind bekannt als „Banat Mazin“.

Edwina Nearing, die Khairiyya Mazin, die jüngste der Mazin-Schwestern im Jänner 1993 in Ägypten besuchte, beschreibt in ihrem Artikel „Ghawazi on the edge of extinction“:

„Es gibt noch immer Nachfrage nach Tanzaufführungen der Ghawazi: Verlobungsfeiern, Hochzeiten und Beschneidungsfeste….

In Oberägypten werden Ghawazi engagiert um auf hohen Holzbühnen zu tanzen, die eigens für diesen Zweck errichtet werden…

Die Ghawazi im Gebiet von Luxor, hauptsächlich die Mazins, führen außerdem eine andere Tradition fort, die von Reisenden des 19. Jahrhunderts beschrieben wurde: sie tanzen in Häusern oder auf Booten am Nil.
Für private Feste, die für Touristen organisiert werden, die die antiken pharaonischen Monumente in Oberägypten besuchen….

Aber jetzt, im Jänner 1993, gibt es keine Ghawazi, die in Luxor tanzen. Die wirtschaftliche Situation, die Videokassetten, und das „Dallas“-Syndrom verlangen ihren Tribut, die Ghawazi verlieren an Popularität…“


Quelle:Sirat al Gawazi“ – verschiedene, empfehlenswerte Artikel der Orientalistin und Ethnologin Edwina Nearing, veröffentlicht auf www.gildedserpent.com

Foto:By Gléon, Delort de [CC BY-SA 2.5], via Wikimedia Commons

Ashra Baladi Skriptum

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